Mit dem Hochlauf der Elektromobilität kommen zusätzliche Akteure in den Mobilitätsmarkt. Der EID sprach mit Cathrin Lind, Vice President Operations, von EnBW mobility+ über die Herausforderungen beim Aufbau eines neuen Schnellladenetzes und die Vorteile, wenn man nicht auf ein bestehendes Tankstellenetz aufbauen muss.
EID: Frau Lind, EnBW mobility+ meldet derzeit quasi im Wochentakt die Neueröffnung eines Schnellladeparks. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, und wo stehen Sie gerade?
Cathrin Lind: Unser Ziel ist es, die Kunden draußen flächendeckend mit Schnelllade-Infrastruktur bedienen zu können. Dazu investieren wir inzwischen jährlich etwa 200 Millionen Euro in den Ausbau unseres Schnelllade-Netzes und haben das Budget dafür in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Bis 2030 wollen wir insgesamt etwa 30.000 Schnellladepunkte betreiben. Das bedeutet aber auch, dass wir eine hohe Schlagzahl an den Tag legen müssen, um diese Ziele erreichen zu können.
EID: In der Tankstellenbranche denken die Akteure vorwiegend nur an Schnellladung. Schaut man ins Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur sieht die Realität aber noch ganz anders aus. Welchen Stellenwert hat die Schnellladetechnik Ihrer Meinung nach im Alltag?

Foto: EnBW
Cathrin Lind: Wenn Sie sich ansehen, wo, wann und wie lange Kunden laden wollen, dann unterscheidet man nachdem nicht-öffentlichen, also privaten Bereich und der öffentlichen Infrastruktur. Für letztere gibt es meiner Meinung nach vier verschiedene Nutzungsszenarien: Sie fahren einkaufen und laden währenddessen ihr Fahrzeug auf. Oder man lädt das Auto, während man mit anderen Dingen beschäftigt ist, zum Beispiel eine Freundin besucht, beim Arzt sitzt oder ein Fitnessstudio aufsucht. Auch während der Arbeitszeit können Sie ihr Auto aufladen und abends wieder mit voller Batterie zurückfahren. Der einzige Use-Case, bei dem es um das Laden selbst geht, ist das Fahren langer Strecken – beispielsweise von Hamburg nach München. Da wollen Sie schnell von A nach B kommen und nutzen eine kurze Pause vielleicht noch, um einen Kaffee zu trinken oder auf Toilette zu gehen. Dieses Stop&Charge-Szenario ist das einzige, bei dem Sie gezielt eine Ladesäule ansteuern, um das Fahrzeug aufzuladen.
EID: Warum fokussiert sich EnBW dann auf die Schnellladung? Die anderen Nutzungsszenarien scheinen doch im Alltag viel verbreiteter zu sein.
Cathrin Lind: Früher waren wir auch in den anderen Use-Cases aktiv, haben dann aber gemerkt, dass wir uns damit ein Stück weit verzetteln und uns auf die Dinge konzentrieren müssen, die wir gut machen wollen.
Anfangs haben wir in Baden-Württemberg gemeinsam mit 77 kommunalen Partnern und Stadtwerken ein flächendeckendes, 450 Ladesäulen umfassendes AC-Netz mit 22 kW Ladeleistung aufgebaut. Danach haben wir gemeinsam mit Tank & Rast die ersten 50- kW- Säulen projektiert und dann nach und nach immer größere Standorte entwickelt. Inzwischen setzen wir auf das Schnellladen unterwegs, wobei das Schnellladen an großen Bau- und Verbrauchermärkten, also beim Einkaufen, für uns auch dazu gehört. Darauf konzentrieren wir uns; und ich glaube, wir machen das inzwischen auch ganz gut und betreiben deshalb mittlerweile das größte Schnellladenetz in Deutschland.
EID: Wie sind Sie da inzwischen aufgestellt?
Cathrin Lind: Als E-Autofahrer können Sie heute in Deutschland unterwegs sein, ohne dabei Angst haben zu müssen, entlang der Strecke nicht aufladen zu können.
EID: Welche Anforderungen haben Sie an die Standorte?
Cathrin Lind: Oberste Priorität hat für uns, dass sich der Kunde darauf verlassen kann, dass er bei uns laden kann. Wir brauchen also nicht nur eine Ladesäule, sondern mehrere, um eine gewisse Redundanz zu schaffen. Das ist die Basis, ohne die wird es nicht funktionieren.
EID: EnBW hat den Begriff HyperNetz geschaffen – nach welchen Kriterien klassifizieren Sie die Standorte in Ihrem Schnelllade-Netz?
Cathrin Lind: Mit dem HyperNetz ermöglichen wir unseren Kunden und Kundinnen das Laden an unserer eigenen Ladeinfrastruktur und über Roaming auch das Laden bei Partnern mit unseren eigenen Tarifen, ähnlich wie im Mobilfunk. Strom lässt sich ja bekanntlich nicht greifen, nicht sehen, aber mit diesem Begriff haben wir etwas Haptisches, etwas, das positiv besetzt ist. Damit können sich dann auch die Kunden identifizieren.
Ein Kriterium ist sicherlich die Anzahl der Landepunkte an einem Standort. Also das Angebot an flächendeckender deutschlandweiter Ladeinfrastruktur, das sich an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden orientiert, ein hervorragen des Ladeerlebnis und gute Ladetarife. Das alles macht das Ladeerlebnis vor Ort noch attraktiver und passt sich an die Bedürfnisse der Kunden an. Die Standorte planen wir so, dass Kunden hoffentlich auch in Stoßzeiten recht verlässlich einen freien Ladepunkt nutzen können. Wir unterstützen hier mit Echtzeit-Informationen zum Standort in der App. Ist die ganze Anlage dann noch überdacht, wird das Aufladen auch bei schlechtem Wetter oder im Sommer unter brütender Sonne komfortabel. Die Ausprägung hängt dabei aber immer auch von den lokalen Bedingungen und den individuellen Standorten ab. Ganz allgemein bauen wir die etwas größeren Standorte aber natürlich entlang der Autobahnen auf.

Bild: EnBW
EID: Während Tankstellenbetreiber bemüht sind, die Verweildauer an ihren Stationen zu erhöhen und teilweise sehr gute Gastronomie- und Shopangebote aufbauen, kommen die EnBW-Schnellladeparks mit einem vergleichsweise dünnen Serviceangebot daher. Bislang gibt es kaum Infrastruktur, die zum Verweilen einlädt …
Cathrin Lind: Wir versuchen, überall wo es möglich ist, Kooperationen einzugehen, damit wir entsprechende Angebote im Umfeld unserer Ladeparks zugänglich machen können. Für unsere eigenen Ladestandorte, wo wir so ein Angebot derzeit noch nicht vorhalten, testen wir entsprechende Serviceangebote. Im niedersächsischen Bispingen haben wir gemeinsam mit Lekkerland einen ersten vollautomatisierten Smart-Shop unter der Marke REWE ready als Pilotprojekt getestet. Kunden können sich hier rund um die Uhr mit Snacks und Getränken für den Sofortverzehr oder zum Mitnehmen eindecken und aus 200 Produkten auswählen. Unseren neuen Nextlevel-Ladepark, den wir gerade an der A4 bei Chemnitz in Betrieb nehmen, werden wir mit diesen Serviceangeboten ausstatten.
Insgesamt stehen dort 24 HPC-Ladepunkte mit bis zu 400 kW Ladeleistung zur Verfügung und perspektivisch könnte der Standort auf 32 Ladepunkte erweitert werden. Zudem speist die auf dem Dach installierte Photovoltaik-Anlage ihren Strom in den Stromkreislauf des Ladeparks ein und kann von den Autofahrern direkt genutzt werden. Generell wollen wir Dinge, die wir erprobt und getestet haben, dann flächendeckend ausrollen, wenn sie sich bei den Kunden bewährt haben. Dies aber nur an unseren großen eigenen Standorten, denn an den anderen Anlagen haben wir ja die erforderliche Infrastruktur in der Nachbarschaft.
EID: Wie Tankstellenbetreiber uns im mer wieder berichten, rechne sich der Aufbau der Schnellladeinfrastruktur gar nicht, weil oftmals die notwendigen Mittelspannungsanschlüsse fehlen oder die Genehmigungsprozesse viel zu lange dauern. Teilen Sie diese Kritik?
Cathrin Lind: Die Mineralölwirtschaft kann Ladesäulen im ersten Schritt ja letztlich nur dort errichten, wo sie bereits Tankstellen betreibt und oft passen die Standorte der Stationen und das Mittelspannungsnetz nicht zusammen.
Da haben wir als EnBW natürlich einen gewissen Vorteil, weil wir die Standorte auf einer weißen Karte planen können und bestenfalls dort errichten, wo der erforderliche Netzanschluss bereits vorhanden ist.
Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass die örtlichen Netzbetreiber nicht nur für die Elektromobilität sondern auch für die Wärmewende und den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen ihre Netze umrüsten müssen. Für sie ist die Energiewende schon eine riesige Herausforderung, so dass längere Antwortzeiten nachvollziehbar sind. Bei den Genehmigungen würden wir uns auch oft schnellere Entscheidungen wünschen.
EID: Frau Lind, wir danken für das interessante Gespräch!
Dieses Interview ist im EID Special „tanken & laden“ 1/2024 am 15.März 2024 erstmals veröffentlicht worden.